März 2006
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit Fragen der Gefährdung des Kindeswohls befasst. Die Arbeitsgruppe, die morgen zu ihrer ersten Sitzung zusammenkommt, hat den Auftrag, gesetzliche Erleichterungen für familiengerichtliche Maßnahmen bei gefährdeten Kindern und Jugendlichen zu prüfen. Zudem soll sie Verbesserungsmöglichkeiten in der praktischen Zusammenarbeit aller in diesen Fällen beteiligten Professionen untersuchen. |
|
„Zum einen wollen wir feststellen, ob das vorhandene familiengerichtliche Instrumentarium ausreicht, um auf schwerwiegend verhaltensauffällige, insbesondere straffällige Kinder und Jugendliche einzuwirken. Im Blick haben wir dabei besonders staatliche Interventionsmaßnahmen gegenüber solchen Kindern und Jugendlichen, die bereits in jungen Jahren erhebliche Straftaten begangen haben. Zum anderen wollen wir untersuchen, was wir tun können, um vernachlässigten Kindern frühzeitiger zu helfen und sie dadurch besser zu schützen“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.
Nach dem geltenden Recht (§1666 BGB) kann das Familiengericht Anordnungen treffen, die in die Rechte der Eltern eingreifen, um auf Kinder und Jugendliche erzieherisch einwirken zu können. Solche Anordnungen erfolgen, wenn das Wohl des Kindes durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, Vernachlässigung des Kindes, unverschuldetes Versagen der Eltern oder ein Verhalten Dritter gefährdet ist. Hinzukommen muss, dass die Eltern selbst nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr für das Kindeswohl abzuwenden. Das Gesetz selbst gibt keine konkreten Maßnahmen vor, sondern überlässt es dem Familiengericht, die im konkreten Einzelfall geeignete Anordnung zu treffen.
So kann das Gericht eingreifen, wenn etwa ein Kind wiederholt schwerwiegend gegen Strafgesetze verstoßen hat. Gleiches gilt, wenn ein Kind Anzeichen einer möglichen Drogenabhängigkeit erkennen lässt und damit eine Kindeswohlgefährdung gegeben ist. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann das Gericht dann beispielsweise anordnen, dass das Kind an einem sozialen Trainingskurs teilnehmen oder durch einen Erziehungsbeistand betreut werden muss. In gravierenderen Fällen kann das Gericht anordnen, dass das Kind in einer Pflegefamilie oder im Heim untergebracht wird. Zu den möglichen Maßnahmen gehört auch die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.
„Leider werden in der Praxis die Familiengerichte oft erst sehr spät angerufen, wenn also ‚das Kind bereits in den Brunnen gefallen’ ist. Dann bleibt den Familiengerichten oftmals nur noch, mit der Entziehung der elterlichen Sorge zu reagieren. Im Interesse des Kindeswohls muss es aber unser Ziel sein, eine Kindeswohlgefährdung schon in einem möglichst frühen Stadium abzuwenden. Denn wenn das Familiengericht frühzeitig angerufen wird, reichen oft Ge- und Verbote des Gerichts an die Eltern aus. Dazu gehört etwa die Weisung, Hilfen zur Erziehung durch das Jugendamt anzunehmen. Oder das Gericht kann den Eltern eines sozial auffälligen Kindes aufgeben, zusammen mit dem Kind an einem Anti-Aggressions-Training teilzunehmen. Im Interesse der vernachlässigten Kinder müssen wir dafür sorgen, dass die rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen so ausgestaltet sind, dass Kindeswohlgefährdungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt abgewendet werden können“, unterstrich Bundesjustizministerin Zypries in Berlin.
Voraussetzung dafür ist, dass die Familiengerichte eng mit den beteiligten Professionen kooperieren und sich austauschen. Die Aufgabenbereiche von Familiengericht, Jugendamt, Schule, Polizei, Jugendstaatsanwaltschaft und Jugendgericht sind hier eng miteinander verbunden. Dies gilt besonders für die Zusammenarbeit der Jugendämter mit den Familiengerichten. So ist es oft in erster Linie das Jugendamt, das das Familiengericht in Fällen der Kindeswohlgefährdung anruft und am gerichtlichen Verfahren mitwirkt. Zudem ist es in vielen Fällen das Jugendamt bei der Umsetzung von gerichtlich angeordneten Maßnahmen beteiligt.
Auf dem Prüfstand der Arbeitsgruppe stehen zudem die vorhandenen Bestimmungen zur Heimunterbringung von Kindern und Jugendlichen. Verschärfungen im Jugendstrafrecht stehen jedoch nicht zur Diskussion.
Der Arbeitsgruppe gehören insbesondere Praktiker aus der Familiengerichtsbarkeit und der Kinder- und Jugendhilfe sowie Vertreter betroffener Verbände an. Sie wird voraussichtlich Ende 2006 ihre Ergebnisse vorlegen.
Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums der Justiz
www.bmj.de
|