Kinder sehen fern, und wenn Kinder schon fern schauen, ist es unsere Aufgabe, ihnen
Programme anzubieten, die auf ihren Entwicklungsstand, ihre Themen und Emotionen
abgestimmt sind. Wie bereits Bruno Bettelheim es formulierte:
Kinder brauchen Kinderfernsehen! Und zwar ein Kinderfernsehen, das ihre Lebenswelt widerspiegelt, aus ihrer Perspektive
erzählt und eine identitätsbildende und prosoziale Auseinandersetzung mit der Lebenswelt
befördert. Die Programmverantwortlichen der deutschen Kindersender und Institutionen der
Qualitätssicherung trafen sich Ende September beim Runden Tisch zum Qualitätsfernsehen
für Kinder in München, um über den Qualitätsstand des Kinderfernsehens in Deutschland zu
diskutieren.
Kids Report 2009: Fakten zum Kinderfernsehen in Deutschland
Realistische Mädchenfiguren für ein besseres Körpergefühl
und
Gezielte Angebote für Jungen |
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Kids Report 2009: Fakten zum Kinderfernsehen in Deutschland
Im Kids Report untersucht die Gesellschaft zur Förderung des internationalen Jugend- und
Bildungsfernsehens jährlich Angebot und Nutzung des Kinderfernsehens in Deutschland
anhand einer vierwöchigen Programmstichprobe. Zentrale Ergebnisse des Kids Reports 2009:
Kinder sehen Kinderfernsehen – nicht mehr, aber gezielter
Die Zeit, die Kinder vor dem Fernseher verbringen, ist laut Kids Report 2009 in den letzten
17 Jahren nicht nennenswert gestiegen. Gleichzeitig ist in dieser Zeit das Angebot an
Kinderfernsehen durch KI.KA, SuperRTL und NICK deutlich angestiegen. Kinder haben jetzt
die Möglichkeit zu wählen, und sie entscheiden sich für Kinderfernsehen. Der Anteil, den
Kinder mit expliziten Kinderprogrammen verbringen, stieg 2009 auf 52% an.1 Kinder sahen
2009 so viel speziell für sie entwickeltes Kinderfernsehen wie noch nie! Aus pädagogischer
Perspektive ist dies sehr zu begrüßen. Ihr Programm sehen Kinder dabei immer häufiger bei
den verlässlichen Kindersendern KI.KA, SuperRTL und NICK. Mittlerweile vereinen die drei
93% der mit Kinderprogrammen verbrachten Zeit.
Viele Angebote – doch oft zur falschen Zeit
Kindern steht heute 420 Stunden explizites Kinderfernsehen pro Woche frei empfangbar zur
Verfügung. Während die 3 Kindersender sich immer mehr auch in der Wahrnehmung der
Kinder etablieren, senden die Vollprogramme die Angebot zunehmend zu Zeiten, in denen
Kinder kaum fernsehen – und aus pädagogischen Gründen eigentlich auch nicht unbedingt
fernsehen sollten: morgens vor der Schule. Insbesondere die 3. Programme der ARD haben
ihre Kindersendungen aus dem Vorabend und späten Nachmittag in die Morgenstunden
verlagert. Andere Sender wie das Bayerische Fernsehen stellen ihre Kinderfernsehzeit ganz
ein. Diskutiert wurde hier die gesellschaftliche Verantwortung der öffentlich-rechtlichen
Dritten Programme für die Zielgruppe Kinder.
Kinderprogramme im digitalen Pay-TV
Mit derzeit 17 Kindersendern - die größtenteils rund um die Uhr senden - steht im digitalen
Pay-TV täglich fast 300 Stunden zusätzliches Kinderprogramm zur Verfügung. Die
internationalen Netzwerke für Kinderprogramme, wie Nickelodeon oder Disney haben ihre
Positionen im digitalen Fernsehen bezogen. Auch wenn die technischen Reichweiten des
digitalen Fernsehens derzeit noch sehr gering sind, wird dieser Markt mittelfristig an
Bedeutung gewinnen.
1 Zum Vergleich: 1993 lag der Anteil, den Kinder mit Kinderfernsehen verbrachten, noch bei 25%, d.h. drei
Viertel ihrer Fernsehzeit sahen sie Programme, die nicht gezielt für ihre Altersgruppe gemacht wurden.
Schwerpunktthemen 2009:
Mädchen – Junge – Fernsehen
Realistische Mädchenfiguren für ein besseres Körpergefühl
In den meisten Kinderprogrammen sind quantitativ Männer und Jungenfiguren eindeutig in
der Überzahl. International kommen auf eine weibliche Hauptfigur zwei männliche Helden.
Auch im hiesigen Kinderfernsehen stehen meist Männer und Jungen im Mittelpunkt der
Handlung. Nahezu ausgeglichen ist das Geschlechterverhältnis im deutschen Kinderfernsehen
nur bei ZDF, KI.KA und NICK. Ein Qualitätskennzeichen, das pädagogisch für Mädchen und
Jungen unbedingt positiv zu werten ist.
Internationale Studien weisen aber noch auf ein weiteres deutliches Problem hin. Weibliche
Zeichentrickfiguren sind oft deutlich sexualisiert und vermitteln unnatürliche Körperideale, zu
denen die eigene Figur der Zuschauerinnen nur defizitär sein kann. Verglichen mit dem
Kinderfernsehen weltweit, ist dies im deutschen Kinderfernsehen nicht so deutlich
ausgeprägt. Dennoch bleibt Optimierungsbedarf. Zur Unterstützung des Wohlbefindens und
des besseren Körpergefühls der Mädchen muss es einem Qualitätsfernsehen für Kinder auch
darum gehen, hier eine größere Bandbreite und Vielfalt von Mädchenfiguren und ihren
Körperlichkeiten anzubieten.
Gezielte Angebote für Jungen
Buchtitel wie: „Jungen im Abseits“, „Kleine Helden in Not“, „Die Jungenkatastrophe“
weisen, wenn auch populärwissenschaftlich, auf ein wichtiges Phänomen hin: Jungen haben
es heute schwer. Sie sind oft leistungsschwächer in der Schule, stören im Unterricht und
fallen überproportional häufig aus dem Ausbildungssystem heraus und werden als
„Problemgruppe“ identifiziert.
Der Hintergrund: Jungen wachsen in einer Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs in Sachen
Geschlechterverhältnis auf. Die Ideale des „Alleinkämpfers“ und „Superhelden“ bröckeln.
Auf Jungen kommen heute andere Herausforderungen in Sachen „Mann-Sein“ zu als noch auf
ihre Väter und Großväter. Hierfür brauchen sie Geschichten, die veränderte
Geschlechterverhältnisse aufgreifen, aktuelle Problemlagen von Junge-Sein thematisieren –
ohne Gewalt zu verherrlichen oder das Vermeiden von Herausforderungen zu idealisieren.
Wir brauchen Qualitätsprogramme für Jungen, die sie nicht schwächen, sondern gerade in den
veränderten Geschlechterverhältnissen produktiv stärken. Hier sind neue kreative Wege
gefragt, die sich in einzelnen Angeboten schon anbahnen, aber noch mehr Offenheit
gegenüber Jungen und ihren Anliegen heute - auch von der Erwachsenengeneration - fordern.
Gesellschaft zur Förderung des Internationalen Jugend- und Bildungsfernsehens:
www.izi.de
www.prixjeunesse.de
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