Unter welchen Vorraussetzungen können minderjährige Kinder ihren Unterhaltsanspruch verwirken? Ist eine Verwirkung überhaubt durchsetzbar?
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Der Unterhaltsanspruch minderjähriger unverheirateter Kinder gegen ihre Eltern kann i. d. R. nicht verwirkt werden (Wendl/Staudigl § 2 Rn. 479; Kalthoener/Büttner Rn. 1053; Münchener-Kommentar § 1611 Rn. 39; Palandt § 1611 Rn. 9; OLG Hamburg FamRZ 1995, 959, 959). Dies ist auch ausdrücklich gesetzlich geregelt in § 1611 Abs. II BGB.
Minderjährige sind grds. verpflichtet, eine Ausbildung zu absolvieren. Selbst wenn sie dies nicht tun, besteht nach ganz überwiegender Rechtsprechung und Literatur weiterhin eine Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren Kindern (OLG Hamburg, FamRZ 1995, 959, 959; Palandt § 1611 Rn. 9; Wendl/Staudigl § 2 Rn. 478). Grund hierfür ist in erster Linie die Schutzbedürftigkeit minderjähriger Kinder (OLG Hamburg, FamRZ 1995, 959, 959). Demgegenüber trifft nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf in FamRZ 1990, 194, 195 auch für minderjährige unverheiratete Kinder grds. eine Erwerbsobliegenheit. Nach dieser Ansicht ist es dann wohl auch möglich, dass ein minderjähriges Kind, das gegen seine grundsätzliche Obliegenheit verstößt, sich ausbilden zu lassen, seinen Unterhaltsanspruch den Eltern gegenüber verwirkt (vgl. zitiert bei Palandt, § 1611, Rn. 9).
Dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf lag ein Fall zugrunde, in dem ein minderjähriges Kind zwei Ausbildungen begonnen und abgebrochen hat. Das Gericht hat in diesem Fall entschieden, dass ein minderjähriges Kind, wenn es arbeitsfähig ist und sich nicht in einer Ausbildung befindet, seinen Unterhaltsbedarf selbst durch Erwerbstätigkeit decken muss. In diesem Fall ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf demnach eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs eines minderjährigen Kindes seinen Eltern gegenüber möglich.
Nach allgemeiner Meinung besteht eine weitere Ausnahme von dem Grundsatz, dass ein minderjähriges unverheiratetes Kind seinen Unterhaltsanspruch den Eltern gegenüber nicht verwirken kann, für den Fall, dass rückständiger Unterhalt geltend gemacht wird (Kalthoener/Büttner Rn. 1053). Der Anspruch auf rückständigen Unterhalt minderjähriger Kinder kann verwirkt werden, wenn das Kind alkohol- oder drogenabhängig ist und eine ärztliche Behandlung verweigert, oder wenn es in seiner Lebensführung Risiken auf Kosten der Eltern in Kauf nimmt. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn das Kind ohne soziale Absicherung berufstätig ist. Darüber hinaus verwirken minderjährige Kinder den Anspruch auf rückständigen Unterhalt dann, wenn sie Straftaten gegen ihre Eltern verübt haben (vgl. Kalthoener/Büttner Rn. 1053a).
Das bloße Faulenzen minderjähriger unverheirateter Kinder reicht jedenfalls nicht aus, um den Unterhaltsanspruch gegen die Eltern zu verwirken.
Handlungen, die Kinder während der Minderjährigkeit begangen haben, können den Kindern auch dann nicht entgegengehalten werden, wenn die Kinder nach Eintritt der Volljährigkeit noch unterhaltsbedürftig sind (Münchener-Kommentar Born, § 1611 Rn. 42; Wendl/Staudigl, § 2 Rn. 479; Kalthoener/Büttner, Rn. 1054a). Hat also z. B. ein Kind im Alter von siebzehn Jahren eine begonnene Ausbildung abgebrochen und ist daher nach Eintritt der Volljährigkeit unterhaltsbedürftig, besteht trotzdem grds. ein Unterhaltsanspruch des Volljährigen gegenüber seinen Eltern.
Der Unterhaltsanspruch eines minderjährigen Kindes kann auch nicht dadurch verwirkt werden, dass das Kind den persönlichen Kontakt zu dem unterhaltsverpflichteten Elternteil ablehnt. Dies wird in der Rechtsprechung und Literatur ausdrücklich zwar nur für volljährige Kinder vertreten (Wendl/Staudigl § 2 Rn. 482). Da aber von minderjährigen Kindern nicht mehr verlangt werden kann, als von volljährigen Kindern, wird dies auch für minderjährige Kinder gelten. Eine konkrete richterliche Entscheidung hierzu gibt es bislang nicht.
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