Der Bundesgerichtshof hatte zu entscheiden ob ein unterhaltsverpflichteter eine Erstausbildung absolvieren kann obwohl er seinen minderjährigen Kindern Unterhalt zahlen müsste (BGH Urteil vom 4. 5. 2011 - XII ZR 70/ 09).
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Das Problem zeigt sich hier deutlich, einerseits ist in dem Fall die Mutter verpflichtet und auf der anderen Seite trifft sie gegenüber ihren minderjährigen Kindern nach dem Gesetz die sogenannte gesteigerte Erwerbsobliegenheit, die sie verpflichtet, alles erdenklich Mögliche zu unternehmen, um den Kindesunterhalt sicherzustellen, auch Nebenjobs oder Aushilfejobs anzunehmen.
Andererseits befindet sich der Unterhaltspflichtige Elternteil eben aber oftmals selber noch am Anfang oder sogar vor seiner eigenen Erstausbildung. Die Einkünfte aus dieser Erstausbildung oder der Nebeneinkünfte während dieser Ausbildung reichen aber eben dann zumeist nicht aus, um die Unterhaltsansprüche des oder der minderjährigen Kinder sicherzustellen.
Hier stellt sich nun die Frage: Ist der Unterhaltsverpflichtete berechtigt, vorrangig zunächst einmal seine eigene Erstausbildung zu absolvieren auch vor dem Hintergrund, dass er dann keinen Unterhalt zahlen kann. Oder aber soll dem Unterhaltsverpflichteten das Recht auf Erstausbildung verweigert werden, damit er irgendeinen Job ohne Ausbildung annehmen kann, dann aber eben in der Lage ist, Unterhalt zu können.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dazu im Mai 2011 entschieden: Die eigene Erstausbildung geht der Unterhaltsverpflichtung vor! Die unausgebildete Mutter hatte zunächst jahrelang lediglich als Taxifahrerin gejobbt, dann aber im Alter von 30 Jahren eine Erstausbildung begonnen und die Unterhaltszahlungen eingestellt.
Der BGH gab der Mutter Recht:
Die Erstausbildung gehört zum eigenen Lebensbedarf eines Unterhaltspflichtigen, den dieser grundsätzlich auch bei gesteigerter Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern vorrangig befriedigen darf, so die Richter.
Auch schließt der BGH mit dieser Entscheidung fast nahtlos an eine bereits ältere Entscheidung aus dem Jahr 1993 an (BGH-Urteil vom 15. Dezember 1993 - XII ZR 172), dieser ausdrücklichen Vertiefung und Wiederholung der älteren Entscheidung ist insbesondere aus verfassungsrechtlichen und gesellschaftspolitischen Gründen ausdrücklich beizupflichten:
Das Recht auf eine eigene Ausbildung kann man mit guten Gründen in den Bereich eines Verfassungsrechtes rücken, mindestens aber aus Art. 1 Grundgesetz, dem Grundsatz auf menschenwürdiges Dasein, herleiten.
BGH Urteil vom 4. 5. 2011 - XII ZR 70/ 09
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