In Belgien sind gravierende Änderungen im Familienrecht geplant. Die gravierernsten Neuerungen betreffen die Frage der Unterbringung der Kinder im Falle einer Trennung und Scheidung.
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Laut der derzeit geltenden Gesetzgebung in Belgien entscheidet bei einer Ehescheidung der Richter von Fall zu Fall, bei welchem Elternteil das Kind wohnen darf. Jetzt wird das Familienrecht in Belgien reformiert. Der Gesetzentwurf, der im Unterausschuss "Familienrecht" der Abgeordnetenkammer zur Debatte steht, sieht vor: Kinder sollen vorzugsweise im gleichen Maße bei ihrer Mutter und ihrem Vater wohnen dürfen, auch bei Trennung und Scheidung. Grundsätzlich ist eine halbe/halbe Betreuung angedacht. Wenn sich dieses nicht realisieren lässt, z.B. wegen Berufstätigkeit eines Elternteiles wird eine individuelle Regelung getroffen.
Wie auch im deutschen Recht wurde in den meisten Fällen der Mutter die Unterbringung des Kindes zugesprochen, während der Vater das Besuchsrecht erhielt (oft ist dies jedes zweite Wochenende, manchmal noch ein Tag in der Woche und während der Hälfte der Schulferien). Heutzutage ist man sich einig, beide Elternteile sind bei der Erziehung ihrer Kinder gleichberechtigt gefordert.
Fakt ist: In einem Scheidungsfall hat nicht nur das Kind Recht auf seinen Vater und seine Mutter - es braucht sie auch beide -, sondern auch jedes Elternteil auf Umgang mit dem Kind. Gleichzeitig besteht für jeden Elternteil auch die Pflicht zum Umgang mit seinem Kind.
Immer mehr Richter finden sich mit dem Prinzip der halbe/halbe Unterbringung des Kindes ab. Sofern beide Eltern ihr Einwilligung dazu geben gibt es keine Unstimmigkeiten mehr darüber. Juristisch kann dieses Unterbringungsart nur gewährt werden, wenn beide Seiten eingewilligt haben. Selbst bei Zustimmung beider Elternteile gab es Gerichte /Richter, die bis vor einigen Jahren die gleichmäßig verteilte Unterbringung verweigerten.
Es besteht "pro Richter ein Modell" das bedeutet: Die meisten Richter haben ihre eigene Meinung über die beste Vorgehensweise- ihre beste Vorgehensweise, auch wenn das Gesetz keine einzige Verpflichtung dazu auferlegt. Zudem sorgt die Methode, jeden einzelnen Fall einzeln zu entscheiden dafür, dass der Ausgang eines Prozesses nicht abzusehen ist. Dieses hat eine Anhäufung von gerichtlichen Verfahren zur Folge.
Die Technik, von Fall zu Fall zu entscheiden, könnte nur Sinn machen, wenn die Gerichte von Beginn an über alle Informationen verfügen würden, die zur optimaler Beschlussfassung erforderlich sind. Meist ist es jedoch so, der Richter verfügt nur über unvollständige Angaben und trifft eine vorläufige Entscheidung. Oft ist es so, dass die erste richterliche Entscheidung, auch wenn sie übereilt und ohne Kenntnisse aller Fakten getroffen wurde, die endgültige wird.
Der Gesetzesentwurf, das Kind im gleichen Maße beim Vater und bei der Mutter wohnen zu lassen, ist kein Wundermittel, doch soll durch das im Parlament vorliegende Gesetz dieser Formel der Vorzug gegeben werden, ohne dass sie a priori auferlegt wird. Der Richter behält sich auch dann noch das Recht vor, von dem vorgeschlagenen Modell abzuweichen.
Bei den Überlegungen zu dem Gesetzesentwurf spielt das Cochemer Modell eine entscheidende Rolle. Hierbei wurde eine neue Verfahrensweise der Schlichtung von Kindschaftsstreitigkeiten praktiziert. Dieses mit großem Erfolg, wie diese Aussage zeigt: „In Cochem gab es zwischen 1996 und 1999 keine einzige streitige Entscheidung.“
Wir hoffen demnächst das neue Belgische Familienrecht in deutscher Sprache hier vorstellen zu können. Das Belgische Familienrecht gilt als eines der familienfreundlichsten in Europa.
Die Grundsätze des Cochemer Modells
Ma @TreffpunktEltern
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